Handyproduktion in Indien

Person sitzt im Schneidersitz am Boden und hält in jeder Hand ein Handy
Fünf Arbeiter liegen auf dem Boden in einem kleinem Zimmer und schlafen
Produktionsstätte der Firma Foxconn

März 2012


Notruf! Ausbeutung in der indischen Handyindustrie
Südwind deckt auf unter welchen schockierenden Bedingungen Handys produziert werden, und startet E-Mail-Petition an Handyhersteller.
1,8 Milliarden Handys wurden im vergangenen Jahr weltweit verkauft, über drei Millionen davon allein in Österreich. Für viele ist das Mobiltelefon zum ständigen und unverzichtbaren Begleiter geworden. Auch für viele InderInnen ist das so, noch unverzichtbarer aber ist für sie jeder Cent ihres Hungerlohns, den sie in der Handyproduktion verdienen: meist ist das nicht einmal ein Prozent des Verkaufspreises, berichten Südwind und die Arbeiterkammer Wien bei einem Pressegespräch heute in Wien.

Ausbeutung am Fließband
Im März waren zwei Mitarbeiterinnen von Südwind vor Ort in Südindien und erfuhren den krassen Widerspruch zwischen den schicken Produkten und den Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen, die die Handys herstellen: Über 20.000 ArbeiterInnen schuften tagtäglich am Fließband für den europäischen Markt: zum Beispiel für Nokia und seine Zulieferbetriebe Foxconn und Wintek in einer 2006 gegründeten Sonderwirtschaftszone nahe dem südindischen Chennai. Die meisten, die dort arbeiten, kommen von weit her, haben mindestens 12 Jahre Schulausbildung hinter sich und die Verantwortung, mit ihrem Lohn auch ihre Eltern und Geschwister daheim finanziell zu erhalten.

Um mit den ca. 100 Euro Lohn pro Monat über die Runden zu kommen, teilen sich jeweils fünf bis zehn ArbeiterInnen ein einziges2, winziges Zimmer, meist ohne Fließwasser und mit Toiletten am Gang. Auch beim Essen wird gespart: Für mich reicht das Essen in der Fabrik, für andere aber nicht. Manche Leute fallen sogar in Ohnmacht weil sie so hungrig sind. Das Management schickt sie dann in den Erste-Hilfe-Raum", berichtete ein Foxconn-Arbeiter dem Südwind-Team. Jede Woche müssen die Menschen eine andere von zwei oder drei achtstündigen Schichten übernehmen. Nach diesem Muster wird auch geschlafen – abwechselnd, am Boden auf Strohmatten. Auch das Kochen und Waschen muss genau eingeteilt werden: "In den Fabriken gibt es 24 Stunden lang Strom, zuhause haben wir jeden Tag zehn Stunden lang Stromausfall", berichtete ein anderer Arbeiter.

Gewinnbringende Bedingungen für Unternehmen
Während die Menschen mit dem Alltagsleben kämpfen, genießen die Unternehmen in der Sonderwirtschaftszone viele Privilegien: Im Gegensatz zu den Privathaushalten zahlen sie günstigste Preise für Wasser und Strom. Sie erhalten jahrelang Steuerfreiheit, und die Pacht für die mehrere hundert Quadratkilometer große Sonderwirtschaftszone beträgt eine Rupie im Jahr. Das Arbeitsrecht in der Sonderwirtschaftszone wird "konzernfreundlich" ausgelegt, bei Streiks werden mitunter alle beteiligten ArbeiterInnen gekündigt. Gewerkschaftliche Organisierung wird durch das Management unterbunden oder stark behindert.

"Es ist erschreckend, wie hier junge, gut ausgebildete Menschen zwischen 20 und 26 Jahren ausgebeutet werden. Sie kommen mit der Hoffnung auf ein besseres Leben durch die Arbeit bei einem internationalen Unternehmen und enden als ausgebeutete Fließbandarbeiterinnen- und -arbeiter ohne Zukunftsperspektiven!", fasst Christina Schröder von Südwind ihre Erfahrungen in Indien zusammen.

Nachfrage der KonsumentInnen ungebrochen
In Österreich scheint der Handyboom und der Bedarf nach immer neuen Telefonen ungebrochen. Die Anzahl der SIM-Karten stieg im Vorjahr um fünf Prozent auf fast 13 Millionen Stück – jede/jeder ÖsterreicherIn hat also im Schnitt 1,5 Handys. Schon für Kinder und Jugendliche ist das Handy ein ständiger Begleiter. Unter den 13-14jährigen nutzen schon rund 80 Prozent Vertragshandys: "Weil sie viel telefonieren und im Internet surfen, sind Jungendliche gefährdet, sich mit hohen Smartphonerechnungen zu verschulden. Zudem sind sie für die Wirtschaft eine stabile und ständig an Neuerungen interessierte VerbraucherInnengruppe, weil sie mit dem Handy aufgewachsen ist und sich ein Leben ohne Mobiltelefon überhaupt nicht mehr vorstellen kann, wie aus vielen Studien hervorgeht", betont Gabriele Zgubic die österreichische Situation aus KonsumentInnensicht.

Faire Handys gefragt
Weil unter den vielen unterschiedlichen Modellen vor allem eines am Markt fehlt – nämlich ein fair produziertes Handy, hat Südwind nun eine E-Mail-Petition gestartet, mit der man mit einem Klick von allen Herstellern, die ihre Handys am österreichischen Markt vertreiben, ein fair produziertes Telefon fordern kann. Wenn wir neben einem guten Preis und Qualität auch die Erfüllung sozialer Standards in der Produktion verlangen, können wir zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Handyindustrie beitragen.
 
Fordern Sie mit uns gemeinsam die Handy-Unternehmen auf, Verantwortung zu übernehmen und ihre smarte Ausbeutung zu stoppen!

Bitte unterstützen Sie uns dabei mit einer Spende.
Jeder Betrag ist ein wichtiger Schritt in Richtung für fair produzierte Handys für ALLE!


 
Zum  Downloaden und Weiterlesen:

Folder "Die 'smarten' Methoden der Handymultis" (2,69 MB)
Recherchebericht "Handys Made-in-India" (2,18 MB)
Südwind-Bildungsmaterial "Die Welt im Handy" für den Unterricht (1,66 MB)

 

Dieses Projekt wird vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und von der Arbeiterkammer Wien gefördert.

Südwind setzt sich als entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisation seit über 30 Jahren für eine nachhaltige globale Entwicklung, Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen weltweit ein. Durch schulische und außerschulische Bildungsarbeit, die Herausgabe des Südwind-Magazins und anderer Publikationen thematisiert Südwind in Österreich globale Zusammenhänge und ihre Auswirkungen. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen, Kampagnen- und Informationsarbeit engagiert sich Südwind für eine gerechtere Welt.