Peninah (Fotocredit: Viktoria Madlmeir)

Mein Name ist Peninah, ich bin als Teil der Samburu-Familie in Kenia geboren und aufgewachsen. Nach Österreich kam ich, weil ich meinen Mann, er kommt von hier, kennenlernte. Wir heirateten in Kenia und seit 2015 leben wir zusammen mit unseren beiden Kindern hier in Graz. Ich kannte Österreich vorher nur aus meinem Studium „International Travel and Tourism“, wo ich alle Hauptstädte der Welt lernen musste. So lernte ich Kleinigkeiten über Wien, abgesehen davon wusste ich nicht viel über das Land. Aber es ist so ein schönes Land, ich bin so froh, hierhergekommen zu sein. Graz ist eine sehr interkulturelle Stadt, so viele Menschen sind sehr weltoffen, ich habe hier ehrlich gesagt noch keine rassistische Erfahrung gemacht. Das schönste für mich als Samburu-Frau ist, dass wir von Wasser umgeben sind – überall ist so viel Wasser! Mein Stamm in Kenia reist von Platz zu Platz, um genug Wasser zu haben und hier ist es einfach in Massen zur Verfügung.

 

„Aktuell haben wir fünf Mädchen, die sich durch dieses Projekt ihr Schulgeld finanzieren können.“

In meinem Heimatdorf, in Kenia, betreibe ich seit vier Jahren ein Förderungsprogramm für Frauen. Dieses funktioniert folgendermaßen: die Frauen gestalten dort traditionellen Perlenschmuck, welchen ich dann in unserem Onlineshop (samburu.at), in kleinen Läden in der Grazer Innenstadt oder auf diversen Festivals bzw. Märkten in Österreich verkaufe. Zuerst begann das Projekt mit fünf bis zehn, heute umfass die Gruppe bis zu 25 Frauen. Ich startete dieses Projekt, weil ich die Position der Frauen in meinem Dorf verändern wollte, die Frauen dort sind sehr stark von ihren Männern abhängig sind. Sie haben beinahe nichts für sich selbst, viele von ihnen gingen auch nicht zur Schule – ich war eine der ersten Frauen aus meinem Dorf, die die Schule besuchte. Daher ist es mir ein großes Anliegen, diese Situation zu verändern. Zu sehen, dass das auch tatsächlich gelingt, freut mich sehr – aktuell haben wir fünf Mädchen, die sich durch dieses Projekt das Schulgeld finanzieren können. Auch die Männer akzeptieren dieses Programm – sie helfen sogar mit. Sie bringen z.B. den Schmuck zu Käufer*innen in Kenia oder kaufen das Material für die Frauen. Manchmal helfen sie auch mit, den Schmuck herzustellen – das ist nicht nur Frauenarbeit, auch Männer können das. Ich denke, es ist wichtig, das zu beleuchten. Wir müssen an derartigen Kategorisierungen arbeiten. Auch dazu möchte ich beitragen. Anfangs war es ein kulturelles Tabu, beinahe eine Barriere, für die Männer den Frauen bei dieser Arbeit zu helfen, aber sie waren bereit zu lernen und heute arbeiten sie alle zusammen daran.

Anders ist es mit dem Tragen des Schmucks, denn auch die Männer tragen ihn seit langem. In Kenia steckt hinter jedem Schmuckstück eine Geschichte. Anhand einer Halskette kannst du erkennen, welchem Stamm dein Gegenüber angehört und, ob er*sie verheiratete ist oder ob der Mann zum Ältestenrat gehört. Als ich nach Österreich kam, fiel mir auf, dass die Menschen hier sehr sensibel bezüglich Farben sind, so ist pink z.B. ausschließlich für Frauen/Mädchen gedacht. In meinem Dorf ist das nicht so, dort kann jede*r jede Farbe tragen.

 

„Wir arbeiten sehr hart daran, die Genitalverstümmelung abzuschaffen –jede gebildete Frau hilft mit.“

 

An vielen Orten Afrikas adaptieren die Menschen heutzutage den westlichen Lebensstil und vergessen dabei ihre eigene Tradition. Das ist nicht in Ordnung. Ich denke, in gewissen Bereichen, wie Schulbildung und Medizin, brauchen wir die Anpassung, aber in andern sollte man seiner eigenen Tradition treu bleiben. 99 Prozent meiner Kultur ist wunderschön, doch da ist dieses eine Prozent, dass ich dringend verändern möchte und es betrifft zum größten Teil Frauen, z.B. die Genitalverstümmelung, welche noch immer betrieben wird. Wir arbeiten so hart daran, diese abzuschaffen. Jede gebildete Frau hilft mit, darüber aufzuklären, dass das nicht normal ist und es das nicht braucht, um vom Mädchen zur Frau zu werden. Langsam verbreitet sich diese Nachricht, es wird besser. Ich sage ihnen immer wieder, dass da draußen in der Welt Frauen als Politikerinnen oder Ärztinnen arbeiten, ohne beschnitten worden zu sein. Wir müssen darüber aufklären, weil so viele Menschen nicht wissen, dass das nicht notwendig ist. Es ist ihnen immer so weitergegeben worden und dann glaubst du auch, dass es notwendig ist. Auch ich dachte lange Zeit, dass jede Frau auf dieser Welt durch diese Situation gehen musste.

Dieses Jahr im März, zum internationalen Frauentag, war es sehr gut in Samburu, denn da war der Präsident zu Besuch und hat offen darüber gesprochen, dass Genitalverstümmelung nicht richtig ist. Es wurden auch die Ältesten miteinbezogen, was sehr wichtig ist, denn erst dann kann in einem Dorf Veränderung geschaffen werden – sie machen die Regeln. Ich überlege, ein nächstes Projekt zu initiieren, wo Mädchen zu einem speziellen, vielleicht sogar heiligen Ort gehen, dort feiern, sodass wir damit den Übergang vom Mädchen zur Frau zelebrieren können – ohne Beschneidung.

 

„Der Wunsch, die Regeln für Frauen in meinem Dorf zu verändern, treibt mich an.“

 

Als kleines Kind habe ich oft meine Großmutter gefragt, wer die Regeln festgelegt hat und gesagt hat, dass Frauen nicht so arbeiten dürfen, wie Männer es tun. Sie sagte mir immer: „Das hat der erste Mann gesagt.“ Und dann sagte sie mir, dass vielleicht in 100 bis 200 Jahren die Menschen sagen: „Die erste Frau hat das gesagt. Und diese erste Frau sollst du sein.“ Diese Stimme habe ich immer in meinen Gedanken, ich muss Leben verändern. Ich fragte auch meine Großmutter, wie alteingesessene Rituale und Gewohnheiten geändert werden können. Dann sagte sie, dass der Ozean aus einzelnen Tropfen bestünde und jeder Mensch könne einer davon sein kann, welcher Veränderung vorantreibt. Du kannst natürlich nicht das ganze System auf einmal verändern, aber du kannst immer eine Kleinigkeit beitragen.