Medienförderung Neu: Unabhängige Medien fordern demokratiepolitische Kurskorrektur

Ein Zusammenschluss unabhängiger Medien kritisiert den Entwurf der Medienförderung und fordert umfassende Nachschärfungen: „Qualität und Transparenz müssen Grundvoraussetzung sein.“

Wien, 2. Dezember 2022. Ein Bündnis unabhängiger Magazine von an.schläge, ballesterer, Malmoe, Skug, Südwind-Magazin und Tagebuch übt scharfe Kritik an der Medienpolitik der Bundesregierung und fordert von Medienministerin Susanne Raab umfassende Nachschärfungen. Unterstützt werden sie dabei von Fritz Hausjell, Medienwissenschaftler und Präsident von Reporter ohne Grenzen. „In den aktuellen Entwürfen zur Digitaltransformationsförderung und zur Reform der Medienförderung wird die Chance auf eine demokratiepolitisch dringend benötigte Kurskorrektur vertan“, sagt Fritz Hausjell. „Die vergangenen Jahre waren gekennzeichnet von Skandalen rund um Inseratenkorruption und einem problematischen Naheverhältnis zwischen Politik und großen Medien. Dennoch werden neue Fördermittel zur Sicherung von Unabhängigkeit und Medienvielfalt schmerzlich vermisst. Gleichzeitig bleibt ohne Deckelung bei der Inseratenvergabe der politische Einfluss auf Medien bestehen.“

 

Qualität als Grundvoraussetzung für Förderungen

„Es ist ein medienpolitischer Skandal, dass es keine wesentlichen Kriterien oder Fördermöglichkeiten bezüglich Qualität oder ethischen Grundsätze gibt, in einem Gesetz, das sich der ‚Förderung des qualitätsvollen Journalismus‘ verschreibt“, sagt Brigitte Theißl, Leitende Redakteurin der an.schläge. „Qualität muss eine Grundvoraussetzung sein, eine Förderung zu bekommen. Konzepte, wie man Qualität definiert und bewertet, liegen bereits vor, etwa eine Bewertung durch einen unabhängigen Fachbeirat.“

 

Unabhängigkeit fördern statt Marktkonzentration

„Die Reform der Medienförderungen ist alles andere als ein großer Wurf. Stattdessen bleibt viel Stückwerk und es existieren große Förderlücken“, sagt Richard Solder, Chefredakteur des Südwind-Magazins. Kritisiert wird konkret der De-facto-Ausschluss kleiner Redaktionen aus der Qualitätsjournalismus-Förderung. Dort wird als Kriterium definiert, dass förderberechtigte Medieninhaber mindestens drei Vollzeit-Journalist*innen beschäftigen müssen. „Damit droht eine weitere Verschärfung der Konzentration an Mitteln und Ressourcen bei den großen Medienkonzernen, während auf die Kleinen bewusst vergessen wird“, so Solder.

Der Zusammenschluss der unabhängigen Magazine fordert daher, dass Medien, die unter die Publizistikförderung fallen aber weniger als 500.000 Euro Jahresumsatz erzielen, von diesem Förderkriterium nach Redaktionsgröße ausgenommen werden. Gleichzeitig werden neue Anreize gefordert, um externe Auftragnehmer:innen und Freischaffende mittel- und langfristig in angestellte Dienstverhältnisse umzuwandeln. Für Printmedien braucht es in Anbetracht massiv gestiegener Produktionskosten im Zuge der multiplen Krisen spezielle Lösungen.

 

Zielgerichtete Unterstützung statt Füllhorn für Boulevard

Für viel Kritik sorgt auch die so genannte Digitaltransformationsförderung. Reine Onlinemedien sind von dieser von Vornherein ausgeschlossen. Zudem sind auch kleinere Printmedien quasi ausgenommen, da nur große Projektvolumen in der Höhe von mindestens 100.000 Euro eingereicht werden können, die für unabhängige Magazine nicht zu stemmen sind.

„Während die mächtigsten Medienkonzerne ihre Wünsche durchsetzen konnten, bleiben kleine unabhängige Medien auf sich allein gestellt“, so Jakob Rosenberg, Chefredakteur des ballesterer. „Es ist absurd, wenn Boulevardmedien für ein Newsletterprojekt 300.000 Euro erhalten, kritische Medien sich aber aufgrund der großen Eingangshürden oft nicht einmal für diese Digitalisierungsförderung bewerben können. Sie müssen froh sein, wenn sie aus der Publizistikförderung zwischen 1.000 und 10.000 Euro pro Jahr bekommen.“

Das Bündnis aus an.schläge, ballesterer, Malmoe, Skug, Südwind-Magazin und Tagebuch setzt sich für eine echte Stärkung der unabhängigen Berichterstattung ein. Der kleine österreichische Medienmarkt brauche die Unterstützung durch öffentliche Gelder, wie auch der Presseclub Concordia betont.

Fritz Hausjell, Stv. Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, gibt den medienpolitischen Entscheidungsträger:innen schließlich noch Grundlegendes zur Überarbeitung der aktuellen Gesetzesentwürfe mit: „Medien mit – vorerst – kleiner Reichweite und kleinen Redaktionen leisten oft großen Journalismus. Sie bereichern die Vielfalt des journalistischen Angebots, indem sie oft nicht auf die Marktgängigkeit schielen, sondern der inhaltlichen Relevanz den Vorzug geben“, so Hausjell. „Moderne Medienförderung sollte kleine Medien besonders sorgsam fördern, denn sie verbreitern das Informationsspektrum, erweitern die Blickwinkel der journalistischen Kritik- und Kontrollaufgabe und sind häufig durch unkonventionelle Zugänge wesentliche Sensoren für neue, zukunftsweisende Sichtweisen. Die Avantgarde wächst meist in kleinen Medien gut, seltener indes in großen marktorientierten.“

 

Rückfragehinweise:
Richard Solder, Chefredakteur Südwind-Magazin,
Tel. 01 40555 15 – 308,
richard.solder@suedwind.at

Brigitte Theißl, Leitende Redakteurin an.schläge,
office@anschlaege.at

Jakob Rosenberg, Chefredakteur ballesterer,
rosenberg@ballesterer.at

Samuel Stuhlpfarrer, Herausgeber Tagebuch,
samuel.stuhlpfarrer@tagebuch.at

Frank Jödicke, Chefredakteur skug,
frank.joedicke@skug.at

Teo Klug, MALMOE,
redaktion@malmoe.org