Faith Irene Lanyero von der Uganda Textile Garments, Leather & Allied Workers Union (UTGLAWU) und Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne in Österreich und Textil-Expertin bei der Menschenrechtsorganisation Südwind, beleuchten die Widersprüche globaler Textilströme. Sie thematisieren die Verantwortung europäischer Akteur:innen und betonen die dringende Notwendigkeit gerechterer und nachhaltigerer Praktiken im Umgang mit Gebrauchtkleidung.
Zentrale Herausforderungen im Altkleiderhandel
Die Fast-Fashion-Industrie und die daraus resultierenden Textilabfälle verursachen erhebliche Umweltschäden und untergraben grundlegende Arbeitsrechte. Etwa 60 Prozent der nach Uganda importierten Kleidung sind von schlechter Qualität und werden zusammen mit wiederverwendbarer Ware verpackt. Die unbrauchbaren Kleidungsstücke landen häufig auf Mülldeponien, was Umweltverschmutzung, verstopfte Abflüsse und dadurch bedingte Überschwemmungen zur Folge hat. So kam es im August 2024 auf der Deponie Kiteezi zum Einsturz eines Müllbergs auf angrenzende Wohnhäuser – 21 Menschen verloren dabei ihr Leben.
Der Import gebrauchter Kleidung verdrängt zudem oft die lokale Textilproduktion. Dennoch ist dieser Handel für viele Menschen eine bedeutende Einkommensquelle. Schätzungsweise 700.000 Menschen sind in Uganda in der Second-Hand-Branche tätig, hauptsächlich im informellen Sektor – also in wirtschaftlichen Bereichen, die nicht staatlich erfasst oder reguliert werden. Die Beschäftigten, mehrheitlich Frauen und junge Menschen, arbeiten unter prekären Bedingungen, sind geschlechtsspezifischer Ausbeutung ausgesetzt und kaum gewerkschaftlich organisiert.
Überblick: Uganda
- Bevölkerung: ca. 49 Millionen (2023), Mehrheit unter 25 Jahre
- Importiert jährlich rund 80.000 Tonnen Gebrauchtkleidung, hauptsächlich aus Europa und Asien
- Die Steuereinnahmen aus dem Handel mit Second-Hand-Kleidung stiegen von 47 Mio. USD (2015) auf 87 Mio. USD (2023)
- Lokale Textilindustrien leiden; viele Menschen halten gebrauchte Kleidung für qualitativ hochwertiger als lokal produzierte Ware – das schwächt heimische Produkte
- Second-Hand-Kleidung ist eine erschwingliche Bekleidungsquelle für einkommensschwache Haushalte
- Uganda exportiert gebrauchte Kleidung auch weiter – etwa in die Demokratische Republik Kongo oder nach Kenia
Lösungen und Chancen für einen gerechten Wandel
Es gibt zahlreiche Ansätze, um den Altkleiderhandel gerechter und nachhaltiger zu gestalten:
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Einführung und Umsetzung von EU-Gesetzen zur Förderung sozialer und ökologischer Gerechtigkeit (z. B. CSDDD, UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte)
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Stärkere globale Rechenschaftspflicht für Modemarken und Exporteure
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Schaffung fairer Arbeitsplätze in einer zirkulären Textilwirtschaft
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Förderung nachhaltiger, lokaler Textilproduktion
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Anerkennung und Unterstützung informeller Arbeitskräfte
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Schrittweise Reduktion von Second-Hand-Importen, begleitet von klaren Unterstützungsmaßnahmen
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Einbindung informeller Arbeiter:innen in politische Entscheidungsprozesse
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Investitionen in grüne Arbeitsplätze und lokale Wertschöpfung
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Einführung strengerer Zollvorschriften für Second-Hand-Importe
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Stärkung der Inspektions- und Freigabesysteme des Uganda Bureau of Standards
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Bekämpfung von Überproduktion und übermäßigem Konsum durch politische Regulierung, kulturellen Wandel und bewussteren Modekonsum
Österreichs Rolle und Verantwortung
Österreich ist ein bedeutender Absatzmarkt für (Ultra-) Fast Fashion, die auf immer kürzere und billigere Produktionszyklen setzt. Im Jahr 2022 fielen in Österreich rund 228.100 Tonnen Textilabfälle an, darunter Kleidung, Schuhe und technische Textilien. Etwa 67.000 Tonnen davon wurden exportiert, von denen schätzungsweise 42.000 Tonnen wiederverwendet wurden. Die Endziele dieser Exporte sind oft nicht nachvollziehbar – ein Zeichen für den Mangel an Transparenz im globalen Second-Hand-Handel. Viele der Exporte gelangen über Nachbarländer oder Asien schließlich auf afrikanische Märkte, auch nach Uganda.
Derzeit befindet sich Österreich in einer entscheidenden Phase der Neuausrichtung hin zu einer nachhaltigeren Mode- und Textilwirtschaft. Drei zentrale EU-Gesetzesinitiativen – die CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive), die ESPR (Ecodesign for Sustainable Products Regulation) und die EPR (Extended Producer Responsibility) – sollen die Art und Weise, wie Kleidung produziert, vermarktet und entsorgt wird, grundlegend verändern. Ziel ist es, Unternehmen für die ökologischen und menschenrechtlichen Auswirkungen entlang ihrer gesamten Lieferkette zur Verantwortung zu ziehen.
Wenn diese Maßnahmen konsequent umgesetzt werden, bieten sie eine große Chance, die Überproduktion und die globale Müllverklappung durch Fast Fashion einzudämmen und den Weg zu einer gerechteren, transparenteren Textilwirtschaft zu ebnen. Doch aktuelle Entwicklungen im sogenannten EU-Omnibus-Paket gefährden diese Reformen – es drohen Verzögerungen und Schlupflöcher, die die Verantwortung der Unternehmen für Menschenrechte und Umweltstandards verwässern könnten. Besorgniserregend ist auch die Haltung des neuen österreichischen Wirtschaftsministers Wolfgang Hattmannsdorfer, der sich öffentlich gegen die CSDDD ausgesprochen hat.