Saif (Fotocredit: Viktoria Madlmeir)

Mein Name ist Saif. Geboren und aufgewachsen in Süd-Libyen, wo seit dem Sturz des Gaddafi-Regimes Bürgerkrieg herrscht, kam ich vor drei Jahren nach Österreich. Zuerst wohnte ich ein Jahr in Wien, danach zog ich nach Graz um. Freunde und Gewohnheiten zurückzulassen, eine neue Stadt erkunden, neue Bekanntschaften knüpfen, sich neu integrieren – das forderte sehr viel Kraft von mir. Doch heute bin ich sehr froh, hier leben zu können. Ich fühle mich wohl hier, hier passe ich hin und bringe mich ein. 2020 nahm ich zum Beispiel an einem Workshop von Radio Helsinki teil, seitdem bin ich dort Mitglied und Journalist bei der Sendung „Snapshots from the Borders“. Ich habe außerdem meine eigene Sendung, sie heißt „Sounds of Africa“.

 

„Ich mag diesen Prozess des Gestaltens, malen treibt mich an.“

 

 

Ich bin außerdem Künstler, und male. Zum Malen kam ich über einen Freund. In Süd-Libyen verfolgte ich ein naturwissenschaftliches Studium und hatte keinerlei Verbindungen zum bildnerischen Gestalten. Es war 2015, als er mich zur Zeichenkunst brachte. Er motivierte mich, das Zeichnen auszuprobieren, ermunterte mich weiterzumachen und heute treibt es mich an. Eines Tages überraschte ich diesen Freund dann mit einem Portrait, das ich von ihm gemalt hatte, während er schlief. Jeden Tag bevor wir Schlafen gingen, stand ich nachts nochmal auf, sah in sein Gesicht und zeichnete ihn beim Schlafen. An dem Tag als ich das Bild fertigstellte, legte ich es auf seinen Nachttisch und als er aufwachte, sah er es – er hatte es so gerne. Als ich seine Freude miterlebte, fühlte ich mich so glücklich. Das war der Moment, wo ich bemerkte, dass es mir besser ging, wenn ich etwas zeichne.

Ich mag diesen Prozess des Gestaltens, ich kann dabei Konversationen und Gegenständen nach Belieben etwas hinzufügen oder weglassen – ich bringe sie für mich in die richtige Reihenfolge. Manchmal fasse ich zweistündige Gespräche in zwei Bildern zusammen. Sind die Bilder aber fertig, beachte ich sie nicht mehr. Es ist, wie gesagt, der Prozess, der mir die größte Freude bereitet.

 

„Ich versuche, meine Erfahrungen in etwas Gutes umzuwandeln.“

 

Es gibt jedoch eine Sache in der Welt, die ich durch das Malen allein nicht ändern kann: den Unterschied zwischen Menschen. Ich wünsche mir, dass wir uns alle als gleichgestellt, gleichwertig ansehen. Diesen Schritt zur Veränderung zu schaffen, wird sehr schwer. Aber warum?

Ich bin in Süd-Libyen aufgewachsen, dort sind alle schwarz. Der restliche Teil von Libyen ist arabisch, diese Menschen sind weiß. Daher gibt es sehr viele Schwierigkeiten untereinander. Seit sie Gaddafi gestürzt haben, ist überall Krieg. Nun könnten wir zwar wählen, wen wir wollen, stattdessen streitet jeder mit jedem. Sie bekämpfen sich gegenseitig, jeder möchte regieren. Die Araber wollen nicht von Schwarzen regiert werden, und umgekehrt. Das macht für mich keinen Sinn, wirklich nicht.

Mein Leben hat mich bisher eine Menge gelehrt – Gutes und Schlechtes. Ich frage mich sehr oft, wie ich der nächsten Generation helfen kann, dass sie sich nicht in meiner Situation wiederfinden. Ich glaube, das kann ich nicht. Aber vielleicht kann ich zumindest ein paar von ihnen helfen indem ich versuche, meine Erfahrungen in etwas Gutes umzuwandeln. Sie als Liebe, Empathie, Menschlichkeit in die Welt hinauszutragen. Heute, wenn wir über Liebe sprechen, denken wir an ein Paar. Das ist Liebe, ja. Aber nicht nur das. Auch Menschlichkeit ist Liebe.

Aber die Menschen zerstören sich selbst, weil sie viel zu sehr „ich“, anstatt „wir“ denken und sie fragen andere nicht, warum sie etwas tun, sondern was sie tun. Würden wir mehr nach dem Warum fragen, könnte das bereits sehr viel verändern.