Elektroschrottverbrennung, Ghana/(c) Südwind Schröder
Elektroschrottverbrennung, Ghana/(c) Südwind Schröder
Gefährliches Zerlegen von Elektroschrott, Ghana / Südwind, C.Schröder
Elektroschrottdeponie, Ghana / Südwind, C.Schröder
Gefährliches Zerlegen von Elektroschrott, Ghana / Südwind, C.Schröder

Südwind zum Tag des Elektroschrotts: Steigende Müllexporte verursachen massive Gesundheitsprobleme

Wachsender Elektroniksektor verschärft die Entsorgungsprobleme in Ländern wie Ghana – Südwind und Mike Anane fordern Reduktion und Wiederverwertung im Globalen Norden sowie schärfere Kontrollen gegen illegale Exporte

Wien / Accra, 13. Oktober 2021. Anlässlich des morgigen Internationalen Tags des Elektroschrotts fordern die Menschenrechtsorganisation Südwind und der ghanaische Umweltjournalist und -aktivist Mike Anane umfassende Maßnahmen, um den illegalen Export von Elektroschrott in Länder des Globalen Südens zu stoppen. Laut Prognosen der Weltgesundheitsorganisation WHO werden 2021 weltweit im Schnitt 7,6 Kilogramm E-Schrott pro Kopf produziert. Zusammengenommen wäre das ein Berg von 57,4 Millionen Tonnen an ausgedienten Kühlschränken, Fernsehern, Klimaanlagen, Druckern, Computern und Co.. Die Kapazitäten der weltweiten Recyclinganlagen reichen nicht aus, um diese Mengen zu verarbeiten. Nur 17,4 Prozent des anfallenden Elektroschrotts werden laut E-Waste Monitor 2020 sachgemäß recycelt. Stattdessen werden jährlich Millionen Tonnen E-Schrott fälschlicherweise als Gebrauchtware deklariert und auf illegalen Wegen in Länder wie Ghana exportiert, wo sie auf hochgiftigen Müllhalden landen. „Die Elektronikproduktion ist eine der am schnellsten wachsenden Sektoren mit schwerwiegenden Folgen für Gesundheit und Umwelt in den Entsorgungsländern. Die Lebenszeit der Elektro-und Elektronikprodukte wird immer kürzer, weil Reparaturen aufgrund des Produktdesigns immer schwieriger werden und die Leistungsanforderungen an die Geräte immer größer“, sagt Andreas Müller, Südwind-Experte für Rohstofflieferketten. „Gerade reiche Länder müssen für dieses Fiasko Verantwortung übernehmen. In der EU und Österreich braucht es daher eine Rohstoffstrategie, die Reduktion und Wiederverwertbarkeit in den Vordergrund stellt. Reine Wachstumsziele ohne Systemwandel befeuern hingegen immer größere Umweltschäden und Gesundheitsrisiken.

Elektronische Produkte bestehen aus über 1.000 giftigen Inhaltstoffen, wie Blei, Quecksilber, bromierten Flammschutzmitteln und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, die bei unsachgemäßer Handhabung, Lagerung und Verarbeitung freigesetzt werden. Viele dieser Stoffe sind krebserregend oder können Atemwegserkrankungen, Kopfschmerzen und andere Beschwerden verursachen. „Die reichen Länder der Welt müssen sich um das Recycling ihres Schrott kümmern, und zwar dort wo, er anfällt. Armen Ländern, denen die nötigen Mittel fehlen, um den eigenen Müll sachgerecht zu entsorgen, kann diese Bürde nicht umgehängt werden“, fordert Mike Anane, der die Entwicklung in Ghana seit Jahren beobachtet: „Zu einer sauberen Kreislaufwirtschaft gelangen wir nicht, indem Elektroschrott durch schmutzige Geschäftspraktiken rund um die Welt in Länder wie Ghana verschoben wird, wo er alles vergiftet.“

Zum Inbegriff der dramatischen gesundheitlichen Folgen der illegalen E-Schrott-Exporte wurde die ghanaische Deponie Agbogbloshie, bekannt aus der preisgekrönten Dokumentation Welcome to Sodom. Südwind-Mitarbeiterinnen waren mehrmals vor Ort, um die Lage zusammen mit Mike Anane zu dokumentieren. In Agbogbloshie waren jeden Tag tausende Kinder und junge Männer zu sehen, wie sie Computerbildschirme mit bloßen Händen zerbrachen und Kühlschränke ohne Schutz vor den giftigen Dämpfen verbrannten, um an Kupfer und andere Metalle zu gelangen und diese für Hungerlöhne zu verkaufen. Im Juli 2021 wurde die Deponie, die zu einem der giftigsten Orte der Welt geworden war, von der Stadtregierung geräumt. Nach der Dekontaminierung des Areals soll dort ein Krankenhauskomplex entstehen. Das Müllproblem wird dadurch nicht gelöst, erklärt Mike Anane: „Weiterhin landet containerweise E-Schrott im Hafen von Accra und wird weiterhin unter gesundheitsschädlichen Bedingungen nun auf kleineren Deponien im ganzen Land zerlegt. Das was übrig bleibt, vergiftet künftig dort die Menschen, die Böden und das Grundwasser.” 

Gemeinsam mit Südwind und anderen Organisationen auf der ganzen Welt fordert Anane Regierungen, Produzenten, Recyclingunternehmen und Konsument*innen auf, konkrete Lösungen für die E-Schrott-Problematik umzusetzen. Regierungen sind gefordert, E-Müll-Exporte streng zu kontrollieren und Verstöße zu ahnden. Produzenten sollten per Gesetz dazu verpflichtet werden, die Lebensdauer ihrer Produkte zu maximieren und auf Unternehmenskosten ein sachgemäßes Recycling zu garantieren. Gleichzeitig muss der Rohstoffverbrauch insgesamt verringert werden und die Entsorgung verpflichtend bei entsprechenden Sammelstellen und „ReUse“-Zentren organisiert werden. 

Hintergrund: Basler Abkommen 
Die Praxis der illegalen E-Schrottexporte sollte mit dem Basler Abkommen aus dem Jahr 1989 unterbunden werden. In Österreich ist es seit 1993 in Kraft. Lückenhafte Kontrollen in den europäischen Häfen, lasche Strafverfolgung und relativ hohe Gewinne aus dem verbotenen Geschäft mit dem Schrott haben zur Folge, dass in Ländern wie Ghana tonnenweise kaputte Geräte aus den Ländern des Globalen Nordens landen.

Einladung zum Südwind Online Talk: Electronic Waste in Europe and Ghana
Online-Veranstaltung mit Mika Anane und Andreas Müller
Fr., 22. Okt. 2021, 19:00
Anmeldungen: https://tinyurl.com/k3jmcfhp

Mike Anane ist ein unabhängiger Umweltjournalist, der seit über zwei Jahrzehnten zu Umweltkriminalität einschließlich illegaler Elektromüllverschiffung und -verbringung in Ghana recherchiert und schreibt. Er ist Preisträger des Global 500 Roll of Honour-Preises der UNEP, womit seine herausragenden Beiträge für den Umweltschutz gewürdigt werden. 

Download des Reports: E-Müll in Europa und Ghana Bessere Abkommen und umfassende Umsetzung gefragt Von Mike Anane

Diese Aussendung wird mit finanzieller Unterstützung von Brot für die Welt, dem niederländischen Außenministerium und der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt. Die darin vertretenen Standpunkte geben die Ansicht von Südwind wieder und stellen somit in keiner Weise die offizielle Meinung der Fördergeber dar.